Sunday, February 12, 2006

Schnee

Im Rheintal hat es geschneit. Ich habe mich entschieden nie Kokain zu nehmen. Musste heute Morgen den riesigen Vorplatz meines Elternhauses pfaden. Wenn ich da süchtig wäre und nichts zu koksen hätte, in solchen Massen von Schnee… Horror.

Während ich den Schnee wegräumte, versenkte ein junger Mann sein Auto im Strassengraben neben unserem Haus. Er hatte versucht die x-trem steile Strasse, die 7 Uhr morgens noch mit 15 cm Neuschnee zu geschneit war, hinauf zu fahren. Er spulte und spulte mit seinem Bauernporsche. (Subaru) Trotz 4x4 und diversen Schneekettenwechseln von vorne nach hinten und wieder zurück, gelang es ihm nicht wieder raus zukommen. Irgendwann gab er auf. Er lief davon und liess das Auto stehen. Er tauchte 10 min später in einem Jeep der Forstgemeinde wieder auf. Anscheinend sein Arbeitgeber. Den Jeep versenkte er nicht im Strassengraben, sondern liess ihn etwas weiter unten, wo es keine Strassengräben hat sondern kleine Mauern, stehen. Er hatte es geschafft, den riesigen Jeep schräg über die kleine Strasse in den Mauern zu verkeilen. Leider stellte er keinen Rekord im Fahrzeuge im Schnee zurückzulassen auf. Denn mit dem nun herbeigeschafften Traktor kriegte er beide Autos wieder frei. Der sympathische junge Mann meinte es gut. Er kennt sehr viele verschiedene Schimpfwörter und meine Katze fand es sehr lustig.

Das hat mich an die Touristen im Engadin erinnert. Hier muss ich betonen, dass ich nur Ferien im Engadin mache, weil meine Familie von da kommt. Ich hasse die dort üblichen Touristen; Snobs die ihre tiergequälte Kleidung den winzigen Schosshunden anpassen, welche sie in ihren rosa Handtäschchen tragen. Als wollten sie sagen, ich hab Geld, ich brauch weder Moral noch Geschmack. Diese reichen Säcke fahren dort im tiefsten Schnee in ihren VW-Touaregs, BMW-Limousinen, Audis, Porsche-Cayennes usw., als schwebten sie in Ufos über dieser lästigen Natur. Bleiben sie mal stecken oder schleudern sie durch die Gegend, drücken ihre Gesichter ein heimliches Unverständnis aus.

Besonders erinnern mag ich mich an zwei Vorfälle in Ponteresina. Das einemal lief ich an einem Brunnen vorbei. Da tauchte aus einer Kurve ein Mercedes-Jeep auf. Schleuderte unkontrolliert auf mich zu. Ich konnte mich nur noch mit einem Sprung ins kalte Wasser retten. Zwischen Brunnenrand und Wagen waren noch 2 cm. Gutes Auto. Eine blonde Frau von seltener Blödheit sass am Steuer. Die dumme Kuh ist dann einfach weiter gerast. Ich bin halb erforen und auf dem Heimweg schürte sich wieder mal mein Hass auf zu grosse Autos. (reife Reifen wie wir sagen)


Ein andermal erwachten ich und meine Kumpels um ca. 4 Uhr in der Nacht. Es tönte wie von der Autobahn in unserem Haus. Ein schwarzer BMW(meine Familie scheint Häuser an steilen Strassen zu lieben) probierte die Strasse zu seinem Ferienhaus hochzukommen. Der Idiot versuchte immer wieder mit Vollgas der verschneiten Strasse seinen Willen aufzudrücken. Er hatte sie per Spulen schon fast vom Schnee freigelegt. Was bei diesem starken Schneefall nicht einfach war. Ich und meine Jungs fingen dann an Schneebälle zu werfen. Die auch erwachten Nachbarn halfen. Der Fahrer bremste, stieg aus, fing an zu fluchen. Wir erklärtem ihm zusammen mit den freundlichen Nachbarn höflich, dass er Arschloch seine Scheiss Karre gefälligst ins Parkhaus fahren solle. Der BMW verschwand ziemlich demütig in einem Seitensträsschen.

Was ich am Engadin mag ist der viele Schnee, die Weite und die riesigen Berge. Auf den Häusern liegt meterweise Schnee. Auf der Strasse auch. Dann muss kein Fahrzeug mehr fahren. Ausserhalb von Ponteresina steht ein alter Turm aus dem Mittelalter. In den Turm kann mensch reingehen, darin ist ein kleiner Raum. Nebendran ist der Friedhof Santa Maria. Voller prächtiger Grabsteine von Bergsteigern. (Leider nicht Vorfahren von mir, das waren arme Bauern und hatten keine Zeit zum Bergsteigen.) In der Nacht strahlt dieser Ort etwas unheimlich schönes aus. Es ist ruhig. Die riesige Bergkulisse liegt vor einem. Mensch denkt, vielleicht wohnen da oben Geister. Auf den Berggipfeln und nur die Steinböcke wissen von ihnen.


Der alte Negrini, der unten im Chiesa Klein wohnte, Jäger und Grossvater, hatte mal drei Steinböcke aufs mal geschossen. Er traf den ersten, dachte er hätte daneben geschossen, schoss noch mal und noch mal. Am Schluss hatte er drei erlegt. War verboten, mehr als einen aufs mal zu schiessen. Das tat ihm dann leid. Ja, ja, wers ihm glaubte, dem alten Gauner. Er starb mit über 90 Jahren und seine Frau folgte ihm 2 Monate später. Sie liegen jetzt beide in Santa Maria. Unter der Erde und einer winterlichen Schneeschicht. Die Ruhe, die von den Massen an Schnee ausgeht, ist unfassbar. Wie viele Tage hat es geschneit, wie viele Tage wird es brauchen, bis der Schnee weg geschmolzen ist. Mensch kann schweigen und es verhalt im Nichts. Die Augen sind offen. Es ist kalt.

Wenn ich frühmorgens den Platz vor meinem Elternhaus in Dirty Oldtown fege, überkommen mich selten solche Gefühle. Dann denk ich über Drogen nach. Echt nie Koks. Der Winter wär nicht mehr dasselbe. Trotzdem geht es mir ein klein wenig auf den Sack. Wenn jemand versucht mit Technikviechern auf vier Rädern das Unmögliche zu erreichen. Während ich friedlich den Schnee wegschaufle. Der Himmel wurde dunkelblau. Als der junge Mann schon längst verschwunden war. Ganz kurz färbte sich auch der ganze Schnee dunkelblau. Dann ging die Sonne auf.

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