An diesem Morgen dacht er nichts. Er stand auf und duschte. Trocknete sich ab, fönte sein Haare. Darauf frühstückte wie immer, trank einen Café, ass ein Stück Brot mit Confitüre und rauchte eine Zigarette. Doch statt Zeitung zu lesen, starrte er in die Luft. Er fuhr mit seinem Auto zur Arbeit Im Radio kam klassische Musik. Er bremste an einer Ampel erst, als eine junge Frau den Fussgängerstreifen überquerte, nicht wegen des Rotlichts.
In seinem Geschäft, setze er sich an seinen alten Bürotisch in einem Grossraumbüro mit abgetrennten Zellen. Normalerweise hätte er jetzt seinen Computer eingeschaltet und als erstes seine Mails gecheckt. Doch dieser war nicht mehr da. Er wartet und dachte nichts. Hinter ihm ertönte eine Stimme. „Herr Schnyder, was machen Sie denn schon wieder hier?“
Er drehte sich auf seinem Bürostuhl. Vor ihm stand ein junger Mann, mit breiten Schultern, kurzen Haaren und einer farblich dezenten Krawatte, welche perfekt zu seinem Sakko passte. „Herr Schnyder, kommt das jetzt jeden Tag vor?“ Angst lähmte ihn. Er wusste nicht was antworten. Er sprang auf, brachte ein kaum hörbares „Toilette“ hervor, drückte sich an dem jungen Mann vorbei und eilte hastig Richtung WC-Räume.
Der junge Mann folgte ihm und holte ihn kurz vor den WC-Räumen ein. Er fasste ihn fest an der Schulter. „Herr Schnyder nicht schon wieder, es reicht doch langsam, immer dasselbe...“ Er riess sich los und stürzte in die Toiletten, in eine Kabine und schloss diese ab. Er liess seine Hose runter und setze sich auf den Toilettenring. Er dachte nichts. Er konnte nicht pissen. Er wartete. Ein paar Minuten vergingen.
Er hörte wie die Türe zum WC-Raum geöffnet wurde. „Ist der alte Spinner wieder da drin?“ „Ich bitte Sie, er ist ein Ärgernis, aber er hat doch viel für die Firma getan, also bleiben Sie anständig!“ Es klopfte an die Türe der Kabine. „Herr Schnyder machen sie auf! Sie wissen, dass wir aufschliessen können. Ersparen Sie uns und Ihnen doch diese Demütigung.“ Er dachte nichts. Er wartete. Er konnte nicht pissen.
Die Türe der Kabine wurde geöffnet. Der Mann vom Sicherheitsdienst stand vor ihm. „Also alles wie immer, aber diesmal mach ich Ihnen die Hose nicht hoch!“ Er wurde unter den Schultern gepackt und aus der Kabine gezerrt. „Waschen Sie sich wenigstens die Hände, Mann!“ Wie er so da stand mit entblösstem Glied, lief er rot an. „Scham scheint er doch noch zu kennen!“ Der junge Mann zog ihm die Hose hoch. „Schliessen sie Ihren Gurt, Mann!“ Er reagierte nicht.
Auf dem Weg nach draussen fiel ihm seien Hose runter. Der junge Mann zog sie ihm wieder hoch. Als sie durch das Grossraumbüro kamen, schauten alle weg. Sogar Peter. Dem einzigen mit dem er manchmal in der Pause gesprochen hatte. Welchen ihn zu beruhigen versucht hatte. „Mensch, Heinz, das schaffst du schon... Du hast jetzt Zeit Dinge zu tun, die du schon immer machen wolltest.“ „Was soll das sein? Ausschlafen?“ „Deinen Hobbies nachgehen, du hast doch welche? Bau ne Modelleisenbahn, pflanz einen Kräutergarten, lies Bücher, was weiss ich... „Den ganzen Tag? Das macht doch keinen Sinn...“ „Heinz mein Guter, einer der Vorzüge des Alters ist, dass man sich über den Sinn nicht mehr so viele Gedanken machen muss!“ Heinz Schnyder hatte diese Antwort bis heute nicht verstanden.
„Nicht so grob bitte, er ist doch schon alt, ich regle das schon!“ Der Sicherheitsmann hatte ihn die Treppe zum Gebäude heruntergeschubst und er war hingefallen. Der junge Mann stand oben beim Eingang. „Herr Schnyder, kommen Sie nicht wieder!“ Er stand auf. „Geben Sie sich einen Ruck, das Leben geht weiter!“ Der Alte schien ihn nicht zu hören und trottete zum Parkplatz davon. Der junge Mann seufzte.
Thursday, January 31, 2008
Heinz Schnyder (Kurzgeschichte)
Posted by saile klein at 12:41 PM
Labels: literarische versuche
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