Monday, December 03, 2007

Welcome to the Matrix

Seit letztem Wochenende ist klar. 45 Sekunden im internationalen Fernsehen definieren eine Stadt, nicht die Leute welche dort leben. In Luzern fand am vergangenen Wochenende die Auslosung zur Euro 08 statt. Daneben sollte am Samstagabend ein Strassenfest für mehr Freiraum stattfinden. Dieses wurde von einem massiven Polizeieinsatz aufgelöst.


Trotz toller Verkleidung, diese Leute wollten nicht mitfeiern


Der Spot bei Final Draw für die Euro 08 über Luzern ging 45 Sekunden lang. Der Stapi freute sich riesig über diese Werbemöglichket. Daneben werden in Luzern zur Zeit besetze Häuser geräumt (um sie weitere Jahre leer stehen zu lassen), die boa wird geschlossen, (ein alternatives Kulturzentrum) und ein Wegweisungsartikel soll eingeführt werden. Gemeinsam haben diese drei Dinge folgendes: Die Stadt wird von oben herab, durch die Diktatur der Mehrheit definiert und nicht von unten. Wer möglichst billig leben möchte, nur soviel konsumiert wie er zum Leben braucht, wer nicht viel verdienen will, weil entweder nicht viel arbeiten, oder Arbeit ohne direkten Nutzen leisten möchte, ist nicht erwünscht. Um diesem Umstand etwas entgegenzusetezn sollte am Samstagabend eine Strassenparty stattfinden. Sie wurde von der Polizei brutal gekesselt und 245 (!) Leute festgenommen und lange festgehalten. (Das Ziel soller Aktionen ist immer, die Leute extra zu schikanieren, um sie so umzu erziehen, dass sie nicht nochmals an eine solche Veranstaltung gehen.)

Luzern ist schon seit langem die Touristenhauptstadt der Schweiz. Hier vollzieht sich ein Trauerspiel, welches man von vielen Schweizer und Europäischen Städten kennt. Das Stadtmarketing reduziert die Stadt auf das Schöne, das touristisch Nutzbare, schafft etwas vermeintlich Ewiges, was aber nur etwas Totes sein kann. Die Stadt wird zum Schaufenster, und darin hat es bekanntlich nur Puppen. In Zureich heisst der Spruch: „Erlaubt ist was nicht stört!“. Das Ziel scheint zu sein, aus allen Innenstädten riesige Einkaufszentren zu bauen. Das ist insofern lustig, weil viele Einkaufszentren Städten nachempfunden sind, jetzt kehrt diese Entwicklung zurück.

Sind meist mit Mangel an Verständnis konfrontiert: besetzer Häuser (hier in Comicland, AS)

Das Eigentum im Kapitalismus entwickelt sich aus dem Einsicht des Mangels heraus. Denn das Eigentum wird legitimiert durch die Freiheit, zu der ein kausaler Zusammenhang bestehen soll. Gäbe es von allem genug, so wie es wahrscheinlich ist, die Verteilung funktioniert nur nicht, so wäre das Eigentum als Mittel zu Freiheit nicht so wichtig. (ah das ist dein Haus, dann nehme ich halt das nächste.) Dass nun aber ganze Städte als Eigentum angesehen werden, zeigt einen Widerspruch auf. Nach der heutig gängigen Interpretation, würde das Eigentum dort anfangen, was der Mensch sich selbst durch seine Arbeit beschaffen hat. Da es aber möglich ist, aus Eigentum an sich, mehr Eigentum zu machen, muss für andere weniger Eigentum da sein, es ihnen weggenommen werden, denn der Mangel ist in diesem System ja real. Darum werden ganze Städte von den Interessen von Firmen zersetzt, daran sind nicht die bösen Firmen schuld, sondern dass Eigentum mit Zinsen und kollektiver Besitz ohne Mehrnutzen sich systematisch ausschliessen.

So werden alle Städte langsam aber sicher aufgefressen. Zürich zum Beispiel ist in der Innenstadt, bis auf die Vergnügungsviertel Langstrasse und Niederdorf nach Ladenschliessungszeit tot. Es herrscht gespenstische Leere. Wenn hier jeweils solche Strassepartys versucht wurden wie in Luzern, wurden sie genauso von der Polizei angegriffen. Denn das Leben zu zelebrieren, ohne sich entweder Eigentum zu erarbeiten, oder dieses abzugeben, wird nicht toleriert. Welcome to the Matrix: Der Mensch im totalen Nutzen.

Ps: Saile Klein freut sich trotzdem auf die Euro 08. Schade ist England nicht dabei. Die Polizisten aus Luzern haben den Hooliganübungseinsatz jetzt ja hinter sich

Links:

Dossier zu "Reclaim the Streets" in Luzern bei Indymedia
Dossier zu Luzern auch bei Koopera.ch
Bündnis Luzern für alle!
Film über Besetzerszene in Amsterdam

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